Wissen zum Kulturkampf
entnommen preussen.de
11. Mai 1873ahren
Das erste der sogenannten Maigesetze des Preußischen Staates erscheint am heutigen Tag. Darin heißt es unter anderem: „Zur Bekleidung eines geistlichen Amts ist die Ablegung der Entlassungsprüfung auf einem deutschen Gymnasium, die Zurücklegung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer deutschen Staats-Universität sowie die Ablegung einer wissenschaftlichen Staatsprüfung erforderlich.“ Schon zuvor war auch staatliche Schulaufsicht eingeführt worden. Der Kulturkampf, den Reichskanzler Otto von Bismarck gegen kirchliche Einflüsse führte, erreichte mit den Maigesetzen von 1873 seinen Höhepunkt. Geistliche mussten von nun an ein „Kulturexamen“ in Preußen vorweisen und die Anzeige der Ernennung eines Geistlichen an den Oberpräsidenten als staatlichen Vertreter weitergeleitet werden. Auch ein königlicher Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten in Berlin wurde eingerichtet und so praktisch eine staatliche Kirchenaufsicht eingeführt. Es war bereits seit Dezember 1871 im Rahmen des „Kanzelparagrafen“ verboten worden, staatliche Themen und Entwicklungen in den Predigten der Pfarrer zu thematisieren. Mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren Festungshaft wurde ein Verstoß dagegen vergleichsweise stark sanktioniert. Es folgten das Verbot des Jesuitenordens 1872, die Einführung der obligatorischen Zivilehe und das Expatriierungsgesetz (1874) mit dem sich widersetzende Geistliche aus dem Reich verbannt werden konnten. In Preußen wurden staatliche Gelder an die katholische Kirche gesperrt und viele weitere Orden verboten (1875). Ausgelöst worden war der Kulturkampf durch die Verkündung des „Unfehlbarkeitsdogmas“ von Papst Pius IX. und Otto von Bismarcks Versuch, in Reaktion darauf, gemeinsam mit den liberalen Parteien, den kirchlichen Einfluss auf den Staat ganz generell zurückzudrängen. Er empfand die päpstliche Haltung als Eingriff in die Hoheitsrechte des Staates. Der Papst erklärte die preußischen Kirchengesetze aus dem Mai 1873 in seiner Enzyklika „Quod numquam“ für ungültig. Der vor allem über die Medien und viele Streitschriften und Pamphlete geführte Kulturkampf, der auch innerhalb der Kirchen beinahe zu Spaltungen geführt hätte, vergiftete das öffentliche Klima und führte zu einer extrem angeheizten Stimmung. Katholiken, etwa in Westfalen, reagierten mit Massenaufläufen, Solidaritätsbekundungen und Prozessionen auf die von ihnen als staatliche Übergriffe empfundenen Gesetze oder Verhaftungen. Die Bischöfe wählten die Form einer Kollektiveingabe an das preußische Staatsministerium und forderten die Gläubigen zu passivem Widerstand auf. 1876 waren alle katholischen Bischöfe in Preußen schlussendlich verhaftet oder ausgewiesen. Trotz der Maigesetze konnte das Zentrum in den Reichstagswahlen von 1873/74 seine Sitze verdoppeln und wurde 1881 sogar stärkste Partei im Reichstag. Nach dem Tod von Pius IX. konnte der Kulturkampf bis 1887 durch Kompromisse beigelegt werden und einige der Kirchengesetze wurden von Bismarck gemildert. Kanzelparagraf und Zivilehe blieben aber erhalten.
10. Dezember 1871
Heute vor 152 Jahren
„Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge; oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.“
Im Rahmen des sogenannten „Kulturkampfes“ wird nach dem Willen des Reichskanzlers Otto von Bismarck der neue § 130a in das deutsche Strafgesetzbuch übernommen. Der sogenannte „Kanzelparagraph“ untersagt es Priestern und Pfarrern, politische Themen und Kommentare in ihre Predigten einzubauen. Eine Ausweitung auf Schriften erfolgt fünf Jahre später. Der Paragraph gilt, auch nach dem Ende des Kulturkampfes weiter und ist in ähnlicher Weise bis 1953 im BGB der BRD verankert und bis 1968 im Zivilgesetzbuch der DDR.
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