Graf York von Wartenburg (9. Kapitel)

 

Graf York von Wartenburg [9. Kapitel]


Des Helden Leben und Thaten.


Erzählt von

L. Würdig


Glogau.


Verlag von Carl Flemming.


IX.


Von der Katzbach bis nach Wartenburg


Der Waffenstillstand, der vom Heere und Volke mit großem Mißtrauen, mit Trauer und Schmerz aufgenommen wurde, war dennoch von größter Wichtigkeit für die Verbündeten, da die Verstärkung und Ausrüstung der Truppen, namentlich aber der preußischen, sich als höchst notwendig herausgestellt hatte. So wurde das Yorksche Corps von 14 000 auf 38 000 Mann gebracht. Darunter aber befanden sich bei den 32 000 Mann Fußvolk über 13 000 und bei der 6000 Mann zählenden Kavallerie 1320 Mann Landwehren, welche letzteren in keinem besonders erfreulichen Zustande waren. Zwar hatte man 20 000 österreichische Gewehre angekauft, aber es fand sich, daß diese keine Zündlöcher hatten. Da mußten dann vorläufig die vorderste n Glieder dieser Bataillone mit Piken aufmarschieren. Ebenso mangelhaft war die Bekleidung der Landwehrmänner. Sie trugen Tuchmützen, die weder gegen Hieb noch Regen schützten, weiße leinene Beinkleider, Schuhe, die nicht lange vorhielten, und anstatt der Tornister leinene Quersäcke. Die Litewken (ähnlich unsern jetzigen Waffenröcken) waren von ungekrumpten Tuch angefertigt und schrumpften beim ersten Regen zusammen. Auch standen diese Leute, die meist aus den armen schlesischen Weber- und Fabrikdistrikten ausgehoben worden waren, den Rekruten aus ackerbautreibenden Gegenden an körperlicher Kraft weit nach.

York war äußerst ungehalten über all diese Dinge und da man schließlich auch die meisten seiner Generalstabs-Offiziere nahm und andere dazu kommandierte, war es bei dem verdrießlichen Manne kaum noch auszuhalten. Bei der Anzeige, daß man ihm den Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz, den Schwager des Königs, als einen Brigadechef zuerteilt habe, rief er ärgerlich aus: „Hat mir der Teufel schon wieder einen Prinzen beschert!“ - Er empfing ihn auch sehr kalt, lernte aber bald den jungen Herrn als wackern Degen achten.

Ein anderer Grund zu Yorks Unzufriedenheit war, daß der General Blücher den Oberbefehl über das 90 000 Mann starke schlesische Heer erhalten hatte. In Blücher sah York nur den „Husarengeneral,“ der nach seinem Ermessen keineswegs dieser Stellung gewachsen war, und den General-Quartiermeister Gneisenau hielt er für überspannt und unpraktisch.

Der anfänglich nur auf sechs Wochen abgeschlossene Waffenstillstand wurde bekanntlich bis zum 10. August verlängert, während welcher Zeit zu Prag Friedensunterhandlungen mit Napoleon im Gange waren. In der Nacht vom 10. zum 11. August verkündeten Feuerzeichen auf den böhmischen und schlesischen Bergen, daß man nicht einig geworden, und daß auch Österreich die Sache der Verbündeten zu der seinigen gemacht habe. Nach Verlauf von sechs Tagen sollten die Feindseligkeiten von neuem beginnen.

Am 11. August hielt der König zu Rogau eine Revue über das Yorksche Corps ab. Als York nach derselben gegen den König äußerte, daß noch dies und das, namentlich Schuhwerk fehle, antwortete der Monarch: „Ist mir sehr unangenehm, haben aber den Krieg gewollt und alles erst angefangen!“ Worte, die sicherlich den treuen Patrioten schmerzten und verletzten.

Blücher hatte noch vor Ablauf der oben bemerkten sechs Tage den Feind angegriffen, da dieser neutrales Gebiet besetzt hielt. Das Yorksche Corps stieß nach vielen vergeblichen Kreuz- und Quermärschen am 18. August bei Löwenberg auf den Feind. York hatte den Befehl, die Stadt so lange zu halten, bis sich Blücher mit dem Hauptcorps vor Napoleons Übermacht wieder zurückgezogen habe. Und er hielt sie, tapfer und ehrenvoll, und zog dann fast ohne Verlust wieder ab.

Blüchers Plan war, vorderhand einer Hauptschlacht auszuweichen, bis man den Feind sicherer habe. Darüber herrschte große Unzufriedenheit bei den Generalen York, Langeron und Sacken, und selbst die Soldaten, die je eher je lieber an den Feind wollten und das Biwakieren und Marschieren in dem durch starke Regengüsse aufgeweichten Lehmboden satt hatten, fingen an zu murren. Besonders aber war York Feuer und Flamme gegen Blücher. In Jauer gerieten beide heftig aneinander, worauf York sogar beim König um seinen Abschied einkam. Ehe aber die königliche Antwort einlief, söhnte er sich durch Blüchers Befehl, „den Franzosen eine Hauptschlacht zu liefern,“ mit dem Alten wieder aus. Im stärksten Regen brachen die Truppen nach Schlauphof auf. Bei dem Marsch über tief aufgeweichtes Feld blieben den Landwehrmännern Schuhe im Lehm stecken. Bei Kroitsch und Dohnau sollte er über die Katzbach gehen. Er weigerte sich, drohte sogar, lieber seinen Degen zu zerbrechen, als dieser Weisung zu folgen, sandte aber dann doch wenigstens seine Avantgarde unter Major Hiller über den Fluß. Sogleich gab es Arbeit; Kroitsch und Wöltsch wurden von den Preußen genommen und lange Zeit gegen die mächtig herandringenden Franzosen unter dem Befehl Macdonalds behauptet.

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Als dieser Marschall York durchs Fernrohr erkannte, rief er voller Freude: „Da ist der alte York, er reitet noch den Falben aus Rußland!“

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Endlich vermochte es York nicht länger, gab das Dorf auf und zog sich wieder über die Katzbach zurück, die Franzosen in hellen Haufen hinter ihm her, auf das Plateau hinauf. Um diese Zeit, während alle Corps ihre Aufstellung genommen hatten, flogen Blüchers Adjutanten hin und her, um den kommandierenden Generalen den Befehl zum Angriff zu überbringen.

Unserm York ward dieser Befehl mit der Bemerkung überbracht, „soviel Feinde heraufzulassen, als er glaube schlagen zu können,“ worauf er dem Adjutanten die spitze Antwort gab: „So reiten Sie hin und zählen Sie, ich kann bei dem Regen meine Finger nicht mehr zählen.“ Dennoch aber ordnete er die Seinen zum Angriff, und schon schlugen die feindlichen Kugeln in die dicht geschlossenen Kolonnen.

Der linke Flügel, die Bataillone der Brigade Hünerbein, von York selbst geführt, kam zuerst an den Feind. Trotz des heftigen Kartätschenfeuers, das ihnen entgegensprühte, drang er selbst, an der Spitze des Brandenburger Bataillons Othergraven, unaufhaltsam vorwärts. Zunächst galt es, ein feindliches Viereck zu sprengen. Mit gefälltem Gewehr, unter fürchterlichem Hurrageschrei näherten sich die Preußen demselben bis auf wenige Schritte. Einen Augenblick starrte sich Freund und Feind an, da aber rief York: „Drauf, drauf!“ und nun ging‘s mit den Kolben in die Franzosen hinein. Binnen wenigen Minuten war das ganze Viereck zu Boden geschlagen und in eine Pyramide von Leichen verwandelt. Inzwischen waren auch die anderen Bataillone dieser Brigade mutig vorgerückt, warfen die Franzosen zurück und eroberten drei Geschütze.

Da plötzlich brechen feindliche Kavalleriegeschwader auf die aufgelösten Landwehrbataillone ein. Es war ein gefahrdrohender Augenblick; aber Major von Schack mit der ostpreußischen National-Kavallerie stürzt sich über sie her, drängte sie zurück, westpreußische Dragoner und drei Litauer Schwadronen, Oberst Jürgaß an der Spitze, helfen, und bald ist auch hier der Feind auf der Flucht. In wildem Durcheinander wogte die Schlacht. Wohl hatte der Feind schon einige Dörfer auf seiner Flanke verloren, aber über Weinberg sandte er immer mehr und mehr Reitermassen herauf. Heftig vorgehend, warf er die Unsern zurück, kam in die preußischen Batterieen, nahm einige, drang zwischen den Bataillonen Borks und Horns weiter vor und zwang die preußischen Dragoner zum schleunigen Rückzug bis hinter die zweite Linie. Da war es York, der den Bedrängten Hilfe brachte. An der Spitze einen brandenburgischen Bataillons eilte er zu den Batterieen, Hillers im Vorgehen begriffene Bataillone schwenkten links ein zur Unterstützung, und gleichzeitig führte auch der Prinz Karl von Mecklenburg seine Musketiere mitten in die feindliche Kavallerie hinein. Ein furchtbares Gemetzel beginnt, keiner will weichen, bald sind die Franzosen, bald die Preußen im Vorteil, bis dann Major Katzlers energischer Seitenangriff mit den neumärkischen Landwehrschwadronen und russischen Husaren von Sackens Corps die Entscheidung bringt. Im Trabe gehen die Franzosen zurück, die schon abgeschnittenen preußischen Bataillone werden wieder befreit, die arg gefährdeten und schon verlorenen Geschütze sind gerettet. -

In diesem Augenblick ging auf Blüchers Befehl die ganze Kavallerie vor. Mit gezogenem Säbel führte der greise Feldherr selbst die Geschwader, während York an der Spitze seiner Brigaden folgte. Da war kein Halten mehr. Und obgleich Marschall Macdonald immer noch mehr Truppen über Krain, Weinberg und Dohnau auf das Plateau zog und sich selbst an die Spitze einen frischen Regiments setzte, - dem siegjubelnden Hurra! Und Vorwärts! Der preußischen Bataillone war nicht mehr zu widerstehen. Was von den fliehenden Franzosen den preußischen Klingen und Kolben und dem vernichtenden russischen Feuer vom Taubenberge entging, wurde kopfüber in die Wütende Neiße und in die Katzbach gestürzt.

Ein herrlicher Sieg war errungen. Beim Anblick Yorks brachen Reiter und Füsiliere in Vivatrufe aus. Die Franzosen hatten in dieser Schlacht 103 Kanonen, 250 Munitionswagen, 10 000 Tote und Verwundete verloren, und 18 000 waren gefangen genommen. Für seine Tapferkeit erhielt York den schwarzen Adlerorden mit folgendem Kabinettsschreiben: „Die Schlacht am 26. August hat Ihnen neue Ansprüche auf Meine dauernde Dankbarkeit erworben. Nehmen Sie als einen Beweis derselben Meinen schwarzen Adlerorden, den Ich Ihnen hierdurch verleihe, und führen Sie Meine Truppen noch oft den Weg des Sieges, den sie unter Ihnen schon früher zu gehen gewohnt waren.

F r i e d r i ch W i l h e l m.“

Das klang anders als bei Rogau. -

Blüchers Art, den geschlagenen Feind zu verfolgen, war einzig. Horns Brigade war zunächst hinter ihm her; aber dennoch schien es dem alten feurigen Blücher nicht rasch genug zu gehen. So erteilte er Befehl, daß das ganze Yorksche Corps rastlos Tag und Nacht den Feind verfolgen solle; denn es sei nicht genug zu s i e g e n , sondern man müsse den Sieg auch b e n u tz e n.

Horn bot alle Kräfte auf und trieb zunächst die Franzosen bis Gnadenberg. Aber weiter ging es nicht; Roß und Mann waren zu sehr erschöpft. Es fehlte den armen Landwehrmännern an Schuhen und Brot, Futter für die Pferde, kurz an allem. Abgemattet, verhungert, bei der schlechten Bekleidung bis auf den Tod erkältet, schmolz die Zahl der Leute immer mehr zusammen. Nicht minder übel stand es mit der Munition; der unaufhörliche Regen hatte alle Patronentaschen durchweicht und die darin befindliche Munition gänzlich verdorben.

Gern hätte York den erschöpften Mannschaften einige Ruhe gegönnt. Aber die täglich eingehenden Befehle aus Blüchers Hauptquartier, wo man zwar auch die großen Übelstände erkannte, aber die Bedeutung des Katzbacher Sieges und seines Preises höher würdigte, als es York seiner Stellung und vielleicht auch seiner Natur nach vermochte, - trieben zu immer größerer Eile.

So ward York gezwungen, die äußerste und letzte Kraft der Seinen aufzubieten. Am 1. September standen die Truppen an der sächsischen Grenze, York selbst bei Naumburg a. Qu., seine Avantgarde bei Görlitz.

„Schlesien ist vom Feinde befreit!“ lautete es in Blüchers erhebendem Tagesbefehl. Hier an der Grenze, nach schweren Opfern und ruhmvollen Thaten feierte das Heer mit Gottesdienst und Viktoriaschießen das große Siegesfest.

Yorks Corps hatte in dem achtzehntägigen Feldzug 12 000 Mann verloren, trotzdem brach es nach zweitägiger Ruhe von neuem auf. Der schlimme Eindruck, den die Nachricht von der verlorenen Schlacht bei Dresden auf die Truppen gemacht hatte, ward bald wieder durch die Siegesbotschaft von Kulm verwischt. Am 5. September, während Napoleon selbst in Bautzen war und die Operation gegen Blücher leitete, traf York bei Hochkirch auf den Feind. Hiller nahm das von französischer Infanterie stark besetzte Dorf mit stürmender Hand. Als aber immer zahlreichere feindliche Kolonnen heranrückten, und die Absicht der Franzosen, hier eine Schlacht zu liefern, deutlich hervortrat, mußte Hiller zurück. Während York mit dem Hauptcorps sich fertig machte, den vordringenden Feind zu attackieren, erhielt er zu seinem großen Ärger den bestimmten Befehl zurückzugehen und Hillers Rückzug zu decken. Vom Feind langsam gefolgt, nahm er, obwohl mit nicht geringem Verlust, am 6. September die alte Stellung bei Naumburg a. Qu. Und Görlitz wieder ein. Auf die Nachricht, daß Napoleon Bautzen verlassen habe und sich nach Böhmen wende, drang Blücher wieder vor. Am 16. September wurde Bautzen erreicht und hier den Truppen einige Ruhe gegönnt. Aber schon am 23. September war Napoleon wieder auf dem Plan und versuchte Blücher zu einer Schlacht zu bringen.

Bei Bischofswerda kam man aneinander, und hier war es der brave Major von Katzler, der mit acht preußischen und einigen russischen Schwadronen gegen eine weit stärkere feindliche Kavallerie sich den Preis des Tages errang.

Nach diesem wiederholten Versuch, einen Stoß gegen die schlesische Armee zu führen, fuhr Napoleon am 24. September eiligst nach Dresden zurück, und nun zweifelte man nicht mehr, daß er das rechte Elbufer aufzugeben beabsichtigte.

Jetzt war für die heldenmütige schlesische Armee der Zeitpunkt gekommen, ihren Meisterzug zu thun, rechts abzuschwenken und die Elbe zu überschreiten. Am 25. September abends empfingen die Corpsführer die dazu nötigen Befehle. Der schon lange Zeit gehegte, aber völlig geheim gehaltene Plan überraschte die Monarchen, ja Kaiser Alexander legte sogar feierlich Protest gegen dies gewagte Unternehmen ein. Blücher aber wies mit großer Energie alle Einreden und Bedenken von der Hand. Während General Sacken mit seinen Russen auf Meißen vorging, erreichte York, von Langeron gefolgt, am 28. September Elsterwerda und stand dann am 2. Oktober bei dem Städtchen Jessen, ein paar Stündchen von der Elstermündung und dem Dorfe Elster.

Ihm, dem unerschrockenen Preußengeneral, sollte auch diesmal, wie schon so oft, die Ehre zu teil werden, den Feind anzugreifen, der unter General Bertrand, 20 000 Mann stark, Wartenburg besetzt hielt und sich in seiner durch verdeckte Batterieen, Verhaue, Wälle und einen toten Elbarm gar trefflich befestigten Stellung für unüberwindlich hielt.

Blüchers Befehl an York lautete kurz und bündig: Die Elbe ist zu passieren und Wartenburg zu nehmen – der ganze Plan aber zu jenem siegreichen Treffen bei Wartenburg, eine der glänzendsten Waffenthaten des Yorkschen Corps, ging von dessen Führer selbst aus und hat ihm dann auch später den ehrenvollen Beinamen <<York von Wartenburg>> eingebracht.

Nachdem anfangs unter dem heftigsten Feuer der Franzosen, später unbelästigt, die Preußen zwei Brücken über die Elbe geschlagen hatten, rückte am 3. Oktober früh 7 Uhr – an einem Sonntag – Prinz Karl mit drei Bataillone und einer halben Batterie hinüber, um das Dorf Wartenburg zu nehmen. Doch schon auf halbem Wege dahin ward er arg beschossen und konnte sich nur mit Mühe halten. Von den nachrückenden schlesischen und ostpreußischen Grenadieren, der Schweidnitzer und Breslauer Landwehr unterstützt, drang er von neuem mutig vor, warf die feindlichen Vorposten und erreichte durch den <<hohen Wald>> einen vielleicht nur 1500 Schritt von Wartenburg abliegenden Wiesenplan. Doch hier von einem mörderischen Kreuzfeuer völlig verdeckt stehender Geschütze empfangen; mußten die Tapferen abermals zurück, und der Prinz beschloß den Ort von einer anderen Seite anzugreifen. Aber auch hier war jedes Vorgehen vergeblich. Mittlerweile war York mit den anderen Truppen über die Brücken gekommen, ordnete sofort einen neuen Angriff, demzufolge Oberst Steinmetz das Dorf in der Fronte fassen, Prinz Karl Bleddin nehmen und dem Feind in die rechte Flanke fallen, Oberstlieutenant Schmidt ihn dagegen mit seinen Kanonen im Rücken belästigen sollte. So beginnt von neuem Angriff und Abwehr ohne jeden weiteren Erfolg. Die Brigade Steinmetz hatte die gefährlichste Stellung inne, wurde von einem mörderischen Feuer überschüttet, und auch Oberstlieutenant Schmidt mußte seine Kanonen zurückziehen. Nur Prinz Karl kämpfte glücklich. Nach einem mehrstündigen heißen Gefecht nahm er Bleddin und warf unter <<Hurra>> die Württemberger hinaus, worauf Major Lobenthal die Fliehenden bis nach Globig verfolgte und sie zum großen Teil niedermachte. Während nun der tapfere Prinz mit etlichen Bataillonen zum Sturm auf Wartenburg rückte, kam auch Horn nach schwerem Kampf vom Sauanger her angerückt. Dem tapferen Brigadeführer, der ein Soldat war, wie er sein muß, brannte das Blut in den Adern, sich Auge gegen Auge mit dem Feinde zu messen. Den Kampf um Wartenburg überschauend, bittet er York um die Erlaubnis zum Sturm, worauf ihm der General lebhaft antwortet: „Ja, Horn, jetzt ist es Zeit!“ - Unter dem Sturmmarsch der Trommler geht es vorwärts. Zuerst das zweite Bataillon vom Leibregiment, dann die Löwenberger Landwehr und zuletzt das erste Bataillon des Leibregiments. York ruft den Leuten zu, sich möglichst links zu halten, damit sie nicht in das tiefere Wasser kämen.

Arg beschossen, ohne bei der verdeckten Stellung der Feinde diesen selbst Schaden zuzufügen, setzt sich Horn an die Spitze des Bataillons und ruft: „Ein Hundsfott, wer noch schießt! Zur Attacke Gewehr rechts!“ Hochbegeistert folgen die Truppen, dringen durch Wasser und Morast, erklimmen den Damm, der nach Wartenburg hineinführt, schaffen etliche Geschütze die steile Lehne hinauf und kommen so an den Feind. Mit Hurra stürzen sich die braven Landwehrmänner auf ihn, treiben ihn mit gefälltem Bajonett zurück und sind gleichzeitig mit ihm im Dorfe. Inzwischen sind auch Horns andere Bataillone herangekommen, Steinmetz dringt energisch seitwärts vor, und so sehr sich die feindlichen Führer auch Mühe geben, ihre erschrockenen Mannschaften zu ordnen und zu halten, - vor der hinreißenden Tapferkeit der preußischen Brigaden ist es ihnen unmöglich. Alles stiebt auseinander nach links und rechts, der Haupttroß der Franzosen südlich, den Windmühlen zu. Doch, o Graus und Schrecken! Horns inzwischen von Bleddin herübergeschaffte fünf Kanonen vom Lieutenant Stern mit zweilötigen Kartätschen geladen, schmettern in die regellosen Haufen hinein, und als schließlich auch die preußischen Husaren vom Dorfe Globig herangesprengt kommen und tapfer einhauen, ist die Verwirrung der Feinde über alle Maßen groß. Ganze Bataillone werfen die Gewehre weg und geben sich gefangen, andere werden von den desperaten preußischen Landwehrmännern bis unter die Wälle der Festung Wittenberg getrieben.

Dies war das glänzende Treffen bei Wartenburg, von dem es in einem Tagebuche heißt: „Man ging langsam tastend vor, faßte an, biß sich in den Feind ein, hielt ihn zäh fest, drückte, zerrte und schüttelte ihn da, dort und überall, bis er mürbe war, und gab ihm dann den sicheren letzten Stoß. Wo der <<alte Isegrim>> (York) sich einmal eingelassen hat, da ist der Ausgang, es mag biegen oder brechen, gewiß.“ - Ähnlich urteilte Blücher über York: „Der Schwerenöter, der York, ist schwer ins Feuer zu bringen; hab ich ihn aber einmal drin, so ist keiner besser als er.“

Die Trophäen des Tages waren elf Geschütze, siebzig Munitionswagen, zahlreiche Gewehre und gegen tausen Gefangene. Viel höher aber galt es, daß Yorks Corps allein, ohne die Russen, obwohl mit einem Verlust von fast 2000 Toten und Verwundeten, den Feind aus seiner so überaus sicheren Stellung geworfen hatte.

Als am Abend die Truppen ins Lager zogen, ließ sie York an sich vorübermarschieren. Ernst und schweigend begrüßte er die Bataillone im strömenden Regen an der Spitze seines Generalstabes. Als aber Horns zweites Bataillon des Leibregiments herankam, zog er schweigend den Hut ab, senkte ihn tief, und wie auch der Regen auf seine grauen Haare strömte, er und alle seine Offiziere blieben unbedeckten Hauptes, bis der letzte Mann dieses Bataillons vorüber war. Diese wortlose aber herrlichste Lobrede, die jemals ein Feldherr gehalten, wird fort und fort jenem Bataillon zum ewigen Ruhme gereichen.

Durch den Sieg bei Wartenburg stand der erstrebten Vereinigung Blüchers mit der Nordarmee unter dem Kronprinzen von Schweden nichts mehr im Wege. Anderen Tages ging dieselbe bei Aken und Roslau über die Elbe, und auch die große böhmische Armee unter Schwarzenberg näherte sich von Süden her der sächsischen Ebene.


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