Graf York von Wartenburg (6. Kapitel)
Graf York von Wartenburg [6. Kapitel]
Des Helden Leben und Thaten.
Erzählt von
L. Würdig
Glogau.
Verlag von Carl Flemming.
VI.
Der Kampf gegen Rußland; Yorks Konvention mit dem russischen General Diebitsch.
Inzwischen hatte Napoleon an Rußland den Krieg erklärt. Mit mehr denn 600 000 Mann zog er der russischen Grenze zu. Das arme Preußen hatte unsägliches Elend auszustehen. Die starken Einquartierungen und Lieferungen waren kaum zu ertragen.
Von den 20 000 preußischen Hilfstruppen erhielt Murat zwei Kavallerieregimenter; Grandjean ein Husarenregiment, und 19 Bataillone, 16 Schwadronen und 7 ½ Batterieen bildeten die 27. Division der großen Armee unter dem Oberbefehl des Marschalls Macdonald.
Am 28. Juni überschritt das gewaltige Heer die russische Grenze. Aber kein Feind ließ sich sehen; höchstens daß polnische Edelleute von Kosaken erzählten, die das Land durchschwärmen sollten.
Am 10. Juli erhielt York Befehl, mit acht Bataillonen, zwei Schwadronen und zwei Batterien sich nach Memel zu wenden, um hier den linken Flügel des nach Rußland vordringenden Macdonaldschen Corps zu decken. Bei Eckau bestand dies preußische Corps das erste Gefechte mit den Russen, das überaus glänzend ausfiel. Macdonald war voller Lob über die Haltung der preußischen Truppen. Hierauf erhielt York den Auftrag, die Häfen Libau und Windau zu besetzen, ward aber anfangs August wegen Grawerts Krankheit zur Übernahme des Oberbefehls über die sämtlichen preußischen Truppen wieder zurückberufen.
York fand das Corps in einer sehr bedenklichen Lage vor. Von drei Seiten von den Russen umschwärmt, war es in Gefahr umringt und aufgerieben zu werden. Und bald kam es bei Dahlenkirchen zum Kampf. Hier hatte Major von Horn einen schweren Stand, hielt sich aber tapfer und behauptete, allerdings nach einen Verlust von fünfundzwanzig Offizieren und dreihundert Soldaten, seine ursprüngliche Stellung.
Von jetzt an bekamen die Preußen eine ganze Zeitlang Ruhe. Man fertigte für die bevorstehende Belagerung Rigas Faschinen und Schanzkörbe an. Auch erfuhr man, daß die große Armee am 14. September in Moskau eingerückt sei. Die Tage der Ruhe benutzte York dazu, die Truppen immer schlagfertiger zu machen, und war bestrebt, jenen altpreußischen Geist wieder in ihnen zu entzünden, von dem ihnen ein gut Teil bei Jena verloren gegangen schien. Dabei war er von äußerster Strenge in allem, was den Dienst und die Zucht betraf, und ebenso groß war das Vertrauen der Truppen zu dem „alten Isegrim,“ wie sie ihn nannten.
Erst Ende September hatten die Preußen wieder neue Angriffe der Russen abzuwehren. Horns Stellung ward wiederum angegriffen, und der alte tapfere Degen trotz des grimmigsten Widerstandes zurückgefrängt. York, der für den Augenblick nur vierzehntausend Mann beisammen hatte, zog sich bis Bauske zurück, wo er Hünerbein mit seiner Brigade zu treffen glaubte. Erschöpft von Hunger und Kälte kamen die Truppen hier an. Alle Bitten an die Franzosen, ihnen die wohlgefüllten Magazine zu öffnen, blieben vergeblich. Erst als York seinen Offizieren den Bescheid gegeben hatte: „Brauchen Sie Gewalt, wenn es nicht anders geht!“ erhielten sie das Erwünschte für Menschen und Pferde. Da auch am andern Tage von Hünerbein keine Kunde einlief, stand York in Gefahr, abgeschnitten und überwältigt zu werden. Zwar hätte er sich nach rechts wenden und dem zehnten Hauptcorps anschließen können; aber die preußische Ehre gebot ihm, stehen zu bleiben und den ihm überwiesenen Auftrag, einen zur Belagerung Rigas erforderlichen, 110 Kanonen starken Geschützpark zu decken, mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften auszuführen. Nach einem tagelangen, verzweifelten Harren stieß endlich Hünerbein zu ihm und später auch noch das Kleistsche Corps. Da sich York jetzt stark genug fühlte und zugleich erfuhr, daß die Russen sich in zwei Heerhaufen geteilt hätten, von denen der eine nach Mitau abgezogen sei, stand sofort der männliche Entschluß bei ihm fest, den andern energisch anzugreifen, zu schlagen und sich dadurch Luft zu schaffen.
So kam es am 29. September zur Schlacht bei Bauske, in welcher die Preußen mit äußerster Tapferkeit fochten und den Russen einen Verlust von fünftausend Mann beibrachten. Der Eindruck dieses Gefechtes im französischen Hauptquartier war ein überaus günstiger. In dem betreffenden Bülletin hieß es: „Das Gefecht bei Bauske macht dem General York und den preußischen Truppen viele Ehre.“
York selbst sagte später von dieser Waffenthat, sie sei für Preußens Politik von der höchsten Wichtigkeit gewesen und für ihn selbst von der größten Genugthuung: sie zwang Napoleon, der mich haßte, zu der Anerkennung, daß ich Soldat sei.
Der König aber belohnte seinen tapferen York mit dem roten Adlerorden erster Klasse und einem Geschenk von viertausend Thalern.
Mitte Oktober entschloß sich Macdonald, sein Hauptquartier in die Nähe der preußischen Truppen zu verlegen. Da kamen traurige Zeiten für York; denn nicht nur, daß dadurch seine frühere ziemlich unabhängige Stellung beeinträchtigt ward, hatte auch die Gemeinschaft mit den Rheinbundtruppen viel Herbes und Verletzendes für ihn. In dieser unliebsamen Genossenschaft wachte York mit eiserner Konsequenz über die Zucht bei den Seinen; Soldaten und Preußen sollten sie sein, sonst nichts.
Auch mit der Art und Weise, wie man von Berlin aus für sein Corps sorgte, hatte er Grund sehr unzufrieden zu sein. Das Schuhzeug und die Kleidung der Leute war unbrauchbar geworden, und die Nachsendungen blieben aus. Als einst einige Füsiliere vom 6. preußischen Regiment aus einem Gehöft ein Stück Leinwand weggenommen hatten und nun dafür mit aller Strenge des Gesetzes bestraft werden sollten, deckten sie schweigend ihre Mäntel auf und zeigten ihre nackten Lenden. Und dies war bei fünfzehn Grad Kälte. Von Marschall Macdonald Abhilfe dieses Übelstandes zu verlangen, war erst recht vergeblich. Der Franzose hatte nur schöne Worte, aber keine Thaten, und hätte es viel lieber gesehen, wenn York, der gerade, deutsche Mann, seinen Abschied genommen hätte. So antwortete er einmal auf dessen Beschwerde wegen schlechten Futters für die preußischen Dragonerpferde: „Wenn Ew. Excellenz Pferde krepieren, so geschieht dies nicht vor Hunger, sondern vor Dickleibigkeit.“
So vergingen noch viele traurige Wochen und Tage. Nach dem Sturm auf Riga, wobei auch die Preußen sich sehr tapfer gezeigt hatten, aber schließlich doch von den Russen geworfen worden waren, wurde die Kälte immer heftiger. Menschen und Tiere litten entsetzlich. Yorks Stellung war jetzt in und um Mitau.
Da traf die Nachricht ein, daß Napoleon bereits am 18. Oktober von Moskau aufgebrochen sei. Über die große Armee liefen bedenkliche Gerüchte ein, man sprach von großen Beschwerden, von ungeheuren Menschenverlusten.
York nahm alle diese Botschaften ruhig hin, aber in tiefster Seele ahnte er, welch gewaltige Erfolge sich im Falle der Wahrheit daran knüpfen könnten. Vom Gouverneur Rigas, dem General Essen, erhielt York die erste sichere Nachricht über den Stand der Dinge. Dieser schrieb ihm: „Napoleon hat Moskau verlassen, die Armee befindet sich in der Auflösung. Das beste unter diesen Umständen wäre, Ew. Excellenz fielen von den Franzosen ab, nähmen den Marschall Macdonald im Schlosse Skalgen gefangen und schickten ihn mit allem Zubehör zu mir nach Riga.“
York blieb allerdings dem Absender die Antwort schuldig, schickte aber doch das Schreiben nach Berlin an den König.
Unterdessen verbreiteten sich immer häufiger die Gerüchte von dem Unglück der großen Armee. Vom General Paulucci, der nach Essens Abgang Gouverneur von Riga ward, empfing York am 14. November ein Schreiben, aus dem wir folgendes hier mitteilen: „Beiligende Bülletins werden Sie über Napoleons verzweifelte Lage in Kenntnis setzen. Die plötzliche Niederlage dieses der ganzen Menschheit so verderblichen Mannes, der in unsern Tagen alle Schrecken der Hunnen und Vandalen erneuert hat, setzt Preußen in stand, der Schiedsrichter über das Schicksal Europas zu werden, und Sie, der Befreier Ihres Vaterlandes zu sein. Zwei Wege zeigen sich Ihnen, dies Ziel zu erreichen. Der erste wäre: die Truppen, die Ew. Excellenz befehligen, mit den wenigen zu vereinen, Macdonald und die Führer der französischen Partei festzunehmen, vorzurücken und Ihren König zu befreien. Der zweite wäre: mit Berufung auf die wachsenden Niederlagen der französischen Armee und ihren unaufhaltsamen Rückzug zu erklären, daß Sie die Grenzen Ihres Vaterlandes decken wollen, Ihre Truppen hinter die Memel zurückzuziehen und sich jede andere Bewegung zu versagen, die man französischerseits nicht unterlassen wird zu fordern.“
York durfte einen solchen Schritt noch nicht wagen, obwohl er sich nicht verbergen konnte, daß nun eine entscheidende Wendung in der preußischen Politik nahe sei. Seine Antwort an General Paulucci lautete unter anderm: „Ich kenne kein anderes Interesse als das meines Königs und Vaterlandes, aber wie werde ich dieses heilige Interesse durch eine selbstwillige oder übereilte Handlung aufs Spiel setzen.“
Yorks Verhältnis zu dem Marschall Macdonald war in dieser Zeit ein sehr kühles. Der preußische Oberst von Röder vermittelte zwischen beiden, denn oft genug widersetzte sich York den Bewegungen, die jener befahl.
Immer mehr und mehr von der Lage der Dinge und den Aufforderungen der russischen Generale gedrängt, die Sache des gemeinsamen Feindes aufzugeben und sich mit ihnen zu vereinigen, sandte York am 5. Dezember seinen ihm treu ergebenen Adjutanten Seydlitz nach Berlin, der den König um genau Verhaltensbefehle bitten sollte. - Als Seydlitz dem Könige Yorks Bitte vortrug, erwiderte Se. Majestät: „Nur nicht über die Schnur hauen!“ - „Ich bitte Ew. Majestät um bestimmte Weisung,“ fuhr Seydlitz fort. - Der König entgegnete: „Die Franzosen besitzen alle unsere Festungen; Napoleon ist ein großes Genie und weiß immer Hilfsmittel zu finden.“ - „Majestät, soll aber General von York ruhig bei den Franzosen verharren, wenn ihre Macht vollständig gebrochen ist?“ wagte Seydlitz zu fragen. - „Nach Umständen,“ antwortete der König und entließ dann den Adjutanten.
So schwankte man in Berlin noch hin und her. Wohl wünschte man von der furchtbaren Allianz loszukommen, aber noch hatte man keine sicheren Nachrichten von Napoleons Schicksal, kannte die Verluste der großen Armee noch nicht in ihrem ganzen Umfange. Auch traute man dem Volke nicht zu, die zu solchem Umschwung der Dinge erforderlichen Opfer zu bringen und dem verhaßten Gegner den Kampf auf Leben und Tod anzubieten.
Am 18. Dezember erhielt Macdonald Befehl, schleunigst mit seinem Corps den Rückzug über den Niemen anzutreten. Eine zweite Depesche lautete, er möge nötigenfalls Bagage und Artillerie aufopfern, im schlimmsten Fall die Truppen ihrem eigenen Schicksal überlassen, wohl aber seine Person zur „großen Armee“ retten, die in zwei Kolonnen auf Tilsit und Insterburg marschiere.
Sofort wurde diesem Befehl nachgekommen. Einige Märsche wurden bei großer Kälte und Glatteis mit den Preußen zusammen gemacht. Die Truppen waren jedoch sehr erschöpft. In der Frühe des ersten Weihnachtstages marschierten die Preußen in zwei Kolonnen (York und Kleist) von Kelm nach Kroschy. Auf dem Wege dahin warfen sich die Russen mit solcher Macht auf die Feinde, daß Franzosen und Preußen getrennt wurden. Nur mit Mühe entkam Macdonald mit den Seinen über die preußische Grenze und nahm sein Hauptquartier in Tilsit, während York rings von den Russen umgeben war. Der entschlossene Mann war für ein kühnes Durchschlagen, obwohl er sich sagen mußte, daß, im Fall ihm dies gelinge, er sein ganzes Corps daransetzen müsse, die Trümmer der großen Armee zu decken. Dies aber lag unmöglich in seines Königs und des Vaterlandes Interesse. Er erwartete neue Befehle aus Berlin, und wenigstens bis zu deren Eintreffen schien es ihm notwendig, freie Hand gegen Macdonald zu behalten. Das preußische Corps zählte mit Einschluß der Kranken und Verwundeten immer noch 17500 Mann und dreitausend Pferde.
Sobald der Kommandeur der Russen, General Diebitsch, die Preußen in seinem Bereich hatte, sandte er einen Parlamentär an York und ließ ihn um eine Unterredung bitten. Yorks Antwort lautete, er werde zwischen den Vorpostenketten erscheinen. - Hier angelangt, erklärte nun Diebitsch dem preußischen General, daß er ihm zwar nicht mit seinem geringen Corps den Weg verlegen könne, wohl aber alles mögliche entbieten werde, ihm den größten Schaden zuzufügen. Dann sprach Diebitsch von der glänzenden Vernichtung der französischen Armee, und daß er und die übrigen russischen Generale den kaiserlichen Befehl erhalten hätten, die Preußen hinfort nicht als Feinde, sondern als alte Freunde zu behandeln. Schließlich erklärte er, daß er autorisiert sei, mit York einen Neutralitätsvertrag einzugehen.
York zögerte. Doch ward verabredet, daß Diebitsch am nächsten Tage eine Scheinbewegung machen sollte, um ihn (York) den Weg zu verlegen, worauf er dann „nach Umständen“ handeln werde.
Am Weihnachtsfeiertag stieß eine Abteilung Preußen auf eine von Kosaken besetzte Brücke. Anstatt aber, wie man erwartete, gegen die Preußen vorzugehen, kamen die Russen ohne Waffen herübergelaufen und begrüßten die Preußen als Freunde und Waffenbrüder. Lauter Jubel herrschte untereinander darüber, daß es nun gemeinschaftlich gegen die Franzosen gehen sollte.
An demselben Tage abends kam eine Depesche aus Berlin an, in welcher York aufgefordert ward, die Sache Frankreichs durchaus nicht zu verlassen. Auch ward ihm gemeldet, daß Napoleon ihm, wenn er treu ausharre, den Marschallsstab und zwanzigtausend Francs jährliche Renten verleihen wolle.“
York schwankte von neuem. Nicht, daß ihn nach des Kaisers Auszeichnung und Belohnung gelüstet hätte, aber – sollte er seinem König den Gehorsam verweigern, so geradezu gegen seinen Befehl handeln?
Bei seinen strengen Begriffen von Gehorsam und militärischer Pflicht und bei der festen Überzeugung durch einen kühnen, männlichen Entschluß andererseits seinem Vaterlande einen großen Dienst zu erweisen, der Sache der Freiheit eine Gasse zu bahnen, verlebte der brave York qualvolle Stunden und Tage.
Da erhielt er am 29. Dezember früh von einem durch die russischen Posten gedrungenen Boten Macdonalds Befehl, sich über Piktupöhnen auf Tilsit zurückzuziehen. Seine Lage ward dadurch noch peinlicher.
Noch am Abend desselben Tages sandte Diebitsch zu York den Herrn von Klausewitz, der ein Mann von hoher Bildung und unbefleckter Ehre war und es bei Ausbruch des Krieges vorgezogen hatte, den preußischen Dienst zu quittieren und unter Rußlands Fahnen gegen Napoleon zu kämpfen. Als er in Yorks Quartier zu Tauroggen trat, rief ihm der General zu: „Bleibt mir vom Leibe, Klausewitz, ich will nichts mehr mit Euch zu thun haben. Eure verdammten Kosaken haben einen Boten Macdonalds durchgelassen, der mir den Befehl brachte, über Piktupöhnen zu marschieren und mich mit ihm zu vereinigen. Nun hat aller Zweifel ein Ende. Eure Truppen sind weit schwächer als ich, Ihr umringt mich nicht, ich kann nicht kapitulieren!“
Als Klausewitz den General hatte auspoltern lassen sagte er: „Ich kann Ex. Excellenz darauf nichts erwidern, aber ich bitte mir zu erlauben, daß ich Ihnen durch diesen Brief Aufklärung geben kann.“ Als York noch zögerte und rein gar grimmiges Gesicht machte, fügte Klausewitz hinzu: Ew. Excellenz werden mich doch nicht in die Verlegenheit setzen wollen, abzureisen, ohne meinen Auftrag ausgerichtet zu haben.“
Als York nun den Brief des russischen Generals d`Auvray gelesen, in welchem es hieß, daß der russische General von Wittgenstein mit dem Hauptcorps am 31. Dezember in der Gegend von Tauroggen eintreffen werde, fragte York nach einem augenblicklichen Nachdenken: „Klausewitz, Sie sind ein Preuße; glauben Sie, daß dieser Brief ehrlich ist, und daß sich die Wittgensteinschen Truppen wirklich am 31. Dezember in der Nähe Tauroggens befinden werden? Können Sie mir Ihr Ehrenwort darauf geben?“
Klausewitz entgegnete: „Mein Ehrenwort, der Brief ist echt; aber ich kann das nicht verbürgen, ob die entworfenen Marschdispositionen genau so ausgeführt werden können, da, wie Sie selbst wissen, kein General die Truppenbewegungen in seiner Hand hat.“
York schwieg noch einige Augenblicke, dann reichte er Klausewitz die Hand und sagte: „Ihr habt mich! Sagt dem General Diebitsch, daß wir uns morgen früh auf der Mühle von Poscherun sprechen werden, und daß ich jetzt fest entschlossen bin, mich von den Franzosen zu trennen. Aber ich werde die Sache nicht halb thun,“ fügte er leuchtenden Blicks hinzu, „Ihr sollt auch den Massenbach haben.“ - Als jetzt ein eben angekommener Adjutant Massenbachs ins Zimmer trat teilte ihm York den Vorfall mit und fragte, unruhig im Zimmer auf und ab gehend: „Was werden Eure Truppen dazu sagen?“ - Als der Adjutant sogleich seine begeisterte Freude kundgab, endlich einmal von dem verhaßten französischen Bündnis loszukommen, rief York: „Ihr habt gut reden, Ihr jungen Leute, mir Aletem aber wackelt der Kopf auf den Schultern!“
Kurz darauf berief York die Offiziere seines Corps, um sie von dem gethanen Schritte zu unterrichten. - Er sprach: „Meine Herren! Das französische Heer ist durch Gottes strafende Hand vernichtet. Es ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir unsere Selbständigkeit wiedergewinnen können, wenn wir uns jetzt mit dem russischen Heere vereinigen. Wer so denkt, wie ich, sein Leben für Vaterland und Freiheit hinzugeben, der schließe sich mir an; wer dies nicht will, der bleibe zurück. Gelingt unser Vorhaben, so wird der König mir meinen Schritt vielleicht vergeben; mißlingt es, so ist mein Kopf verloren. In diesem Falle bitte ich Sie, sich meiner Frau und Kinder anzunehmen.“
Dieser einfachen, von Herzen kommenden Rede folgte ein wahrhaft begeisterter Jubel, worauf York noch die Worte sprach: „So möge dann unter Gottes Beistand das Werk unserer Befreiung beginnen und sich vollenden!“
Der Verabredung gemäß kam am 30. Dezember vormittags auf der Mühle von Poscherun zusammen. Mit General Diebitsch war Klausewitz und Graf Dohna, mit York Oberst Röder und Major Seydlitz.
Die Hauptpunkte der betreffenden Konvention lauteten: 1. Die preußischen Truppen bleiben zwischen Memel, Tilsit und dem Kurischen Haff stehen. 2. Befiehlt der König den Rückmarsch, so verbleibt ihre Stellung dennoch bis zum 1. März dieselbe. 3. In dem erwähnten Falle können sie an dem gedachten Tage abmarschieren, wohin der König befiehlt.
So hatte denn York den ereignisreichen Schritt gethan, sich von den Franzosen zu trennen, freilich ohne Erlaubnis des Königs, eigenmächtig, aber in der festen Überzeugung, dadurch seinem Kriegsherrn und seinem Vaterlande einen guten Dienst zu leisten. Sofort setzte er den König von dem Geschehenen durch seinen Adjutanten, Major von Thile, in Kenntnis. Der Schluß des Schreibens, das uns den braven York hochachten und ehren läßt, lautete: „Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte; ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht als treuer Unterthan und wahrer Preuße gefehlt zu haben. Jetzt oder nie ist der Zeitpunkt, wo Ew. Majestät sich von den übermütigen Forderungen eines Alliierten losreißen können, dessen Pläne mit Preußen in ein mit Recht Besorgnis erregendes Dunkel gehüllt waren, wenn das Glück ihm treugeblieben wäre. Diese Ansicht hat mich geleitet. Gebe Gott, daß sie zum Heile des Vaterlandes führt. York.“
Die Nachricht vom Abschluß der Konvention wurde alsbald den Truppen verkündigt und von diesen mit unbeschreiblicher Freude aufgenommen. Noch am 31. Dezember verließ auch Massenbach mit seinen Truppen die Franzosen, marschierte über die zugefrorene Memel und stieß unter Beifallsrufen zu den Yorkschen.
Der Abfall der Preußen traf den Marschall Macdonald mit furchtbarer Schwere. „Nun ist alles verloren!“ rief er aus und marschierte, nachdem er freiwillig auch die ihn umgebende zweiunddreißig Mann starke preußische Stabswache entlassen hatte, mit dem Rest seines Corps eiligst aus Tilsit.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen